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Author: Kerstin

Tag 645-650 | Presa Rosendo Salazar, Aguacero, Tuxtla, Cañon de Sumidero, Chiapas, Mexico

Tag 645-650 | Presa Rosendo Salazar, Aguacero, Tuxtla, Cañon de Sumidero, Chiapas, Mexico

Es ging weiter über eine sehr windige Küstenstraße Richtung Inland. Immer wieder auf unserer Reise kommen wir an offiziellen, aber auch illegalen Müllhalden vorbei. Einer hat angefangen seinen Müll in der Pampa abzuladen und dann machen es ihm immer mehr Leute nach. Kurz vor Chiapas fuhren wir wieder durch eine dieser Halden. Der Wind dort ist heftig und über einen großen Straßenabschnitt verstreut hängen die Mülltüten in den Stacheldrahtzäunen. Es ist auch die erste Müllhalde in der wir Kinder sehen, die nach brauchbaren oder verwertbaren Dingen suchten. Wir fuhren schweigend weiter und grübelten jeder für sich über das Problem mit dem Müll, dass uns schon aus Asien so bekannt ist.

Dann gings in die Berge und Chico hörte endlich auf zu motzen. Ihm wars zu warm und nun mit aufkommendem Wind und Abkühlung rollte er sich endlich zwischen uns auf seinem Sitzplatz in der Fahrerkabine zusammen und turnte nicht mehr ununterbrochen und miauend durchs Auto.
Die Engländer kämpften mal wieder mit dem Berg. Der VW will einfach nicht nach oben. Heißer Motor, Pause. Wir beschloßen schonmal vor zu fahren und kamen etwas vor den anderen am angepeilten Stellplatz an. Es handelte sich um einen Stausee mit kleiner Freizeitanlage und Restaurant. Hier hatten wir vor Ostern auszusitzen und den Massen zu entgehen, die zu Mexikos größtem Feiertag landesweit ausgelassen feiern. Ein erster Blick genügte um zu wissen, dass die Anlage schon lange nicht mehr gepflegt wird. Wir versuchten im Restaurant Getränke zu bestellen. Keiner hatte Lust uns zu bedienen und am Ende gab es genau noch 4 Flaschen Softdrinks aus denen wir wählen konnten. Dann tauchte der Besitzer auf und bedrängte uns Essen zu bestellen. Wir lehnten ab und die Stimmung war komisch. Mal schauen.
Wir beschloßen so weit wie möglich vom Restaurant weg zu parken. Die nächsten 3 Tage verstrichen ohne große Ereignisse. Highlight war definitiv der Mangobaum an dem wir parkten. Ansonsten regnete es und stürmte und unser erstes Lagerfeuer seit langem fiel ins Wasser. Im Dorf suchten wir vergeblich nach einem Waschsalon, fanden dafür aber Wifi. Also saßen wir einige Zeit am Dorfplatz und recherchierten unsere weitere Route. Die Stimmung im Dorf ist komisch. Viele Betrunkene kamen vorbei, bezeichneten uns abfällig als „Gringos“ und fragten nach Geld.
Nach einem weiteren Tag im Regen entschloßen wir uns weiter zu fahren. So schlimm kann Ostern wohl nicht werden. Ian hatte mittlerweile einen Flug in die USA gebucht, da er dort noch was erledigen muss. Von ihm verabschiedeten wir uns früh am nächsten morgen.

Also ging es Ostersamstag früh morgens bis zu den Cascadas Aguacero. Mit vielen gut gelaunten mexikanischen Familien ging es die 700 Stufen runter bis ins Tal. Dort wurde erst mal ausgiebig gefrühstückt. Danach gings eine Runde Wandern. Immer flussaufwärts. Die Landschaft ist faszinierend und vielschichtig. Der Canyon echt beeindruckend und der begehbare Wasserfall die Hauptattraktion. Bis Nachmittags streiften wir durchs Tal und machten uns dann an den 20 minütigen Aufstieg. Am Parkplatz bekamen wir die Erlaubnis über Nacht zu stehen und fuhren mit Bruno bis ans hinterste Ende. Chico lief sofort in den Wald und kam nur ab und zu für kleine Kontrollchecks wieder zurück zum Auto. Es kühlte ab und wir brauchten tatsächlich nochmal unsere Pullis.

Bevor die Massen Sonntag Morgen auf der einspurigen Straße bis zum Canyon rollten wollten wir weg sein. So ging der Wecker früh und um 7.30 Uhr waren wir auf dem Weg nach Tuxtla. Dort checkten wir in ein Hotel ein. Mit Willow und Lee teilten wir uns ein Vierbettzimmer. Wieder suchten wir vergeblich nach einem Waschsalon. Dieses Mal waren alle über die Feiertage geschlossen. Also gings zurück zum Hotel und Frühstücken.

Mittags waren wir alle soweit und wollten zum Cañon de Sumidero. Dem VW war der Kupplungszug gerissen und so quetschten wir uns zu viert in Bruno. Chico blieb im Hotelzimmer und fand das gar nicht gut. Geschlossene Räume sind nicht so seins.

Am Canyon angekommen fuhren wir 2 Stunden lang die Aussichtspunkte an. Bis zu 1000m gehts da runter.

Dann gings zurück zum Hotel und nach einem gemütlichen Nachmittag mit Mittagsschlaf mit einem Taxi in die Stadt. Als erstes wollte Lee das traditionelle Getränk der Region probieren. Pozol. Bäh! Das Ganze wird in einer Kürbisschale serviert und besteht aus fermentiertem Kakao, Maismehl und Wasser. Richtig fiese Konsistenz.

Fürs Abendessen sind wir dann in das einzige uns empfohlene Restaurant der Stadt. Wir bestellten ein Tasting Menü, waren aber nicht so sonderlich überzeugt von der Qualität. Highlight war die traditionelle Tanzvorstellung und die Xylophonisten/Xylophoniker/Xylophonspieler (was weiß ich denn, wie die heißen?!). Zum Abschluss gabs dann noch Pumpo. Ein Cocktail, der mit viel Show, einer läutenden Glocke und lauten rufen von allen Kellnern in einem ausgehölten Kürbis serviert wird. Ist ne Mische aus Ananas, Wodka und Mineralwasser und definitiv mehr unser Fall als Pozol. Mit dem Taxi gings zurück zum Hotel. Wir hatten alle Attraktionen der Stadt gesehen.

Unsere Nacht im Vierbettzimmer war katastrophal. Die Katzen Aimee und Chico schaukelten sich gegenseitig hoch und keiner von uns konnte schlafen. Finale Aktion von Chico war dann, dass er ein Kopfkissen dem Katzenklo vorzog. Damit endete unsere Nacht im Hotel und wir zogen morgens um 5 Uhr in Bruno um. Dort war auf der Stelle Ruhe und wir konnten endlich ein paar Stunden schlafen.

Am nächsten Morgen herrschte Katerstimmung und wir verabschiedeten uns von Willow und Lee. Die zwei würden für Reparaturen noch eine Woche in der Stadt bleiben.
Wir gingen stattdessen noch in den Zoo, der erfreulich modern und schön war und machten uns dann weiter Richtung Süden.

Tag 622-645 | Puerto Escondido, Chacahua, La Bocana, Conception Bamba, Salina Cruz, Ixtepec, Oaxaca, Mexico

Tag 622-645 | Puerto Escondido, Chacahua, La Bocana, Conception Bamba, Salina Cruz, Ixtepec, Oaxaca, Mexico

Es ging also zurück nach Puerto Escondido. Wir kamen Nachmittags an und trafen Willow und Lee auf dem altbekannten Parkplatz wieder. Am nächsten Tag sollte es endlich soweit sein: Neue Reifen für Bruno! Nach immer neuen Ausreden, warum der Originalliefertermin vom 07.01.21 und weitere Termine Ende Januar und Anfang und Ende Februar nicht gehalten wurden, waren wir etwas angespannt. Würden die richtigen Reifen, in der Richtigen Anzahl und in Neuzustand morgen in der Werkstatt sein? 

Umso erleichterter waren wir als wir vormittags bei Michelin ankamen und tatsächlich niegelnagelneue XZL Reifen präsentiert bekamen. Also wurde die Hinterachse bestückt und die beiden restlichen neuen Reifen auf den Ersatzradhalter und aufs Dach montiert. Bevor wir die Reifen auf der Vorderachse tauschen, wollen wir die Vorderradaufhängung überholen, da die Kugelgelenke und Gummilager ausgeschlagen sind. Ansonsten würden die teuren neuen Reifen schnell wieder so aussehen wie die Alten. Ersatzteile liegen schon in Deutschland bereit, wie müssen sie „nur“ noch nach Mexiko bekommen.

Nachdem alle Reifen ausgewuchtet und Bruno wieder fahrbereit war, gings ans bezahlen. Schwups gingen 2 Monate Reisebudget über den Tisch. Wir schluckten einmal heftig und besannen uns darauf unsere dringend benötigten Reifen zu zelebrieren. Die alten hatten echt ausgedient.

Die nächsten 2 Tage wurden wir dann nochmal richtig aktiv und suchten so einige Dinge in der Stadt. Bettwäsche zum Beispiel, denn unsere geliebten Ikeabezüge waren der Sonne zum Opfer gefallen und fielen auseinander. Bettbezüge gibts hier nicht. Nur Laken und die meist aus Polyester. Wir hatten schon fast aufgegeben, als wir in einem kleinen Laden Bettlaken aus Leinen fanden. Juhu. Außerdem kochen wir mit Spiritus oder Alkohol und konnten unsere Vorräte in einer Apotheke aufstocken, auch wenn die Damen etwas verwirrt waren warum wir das Desinfektionsmittel literweise kaufen. Dann versuchte ich nochmal erfolglos mein altes Surfboard zu verkaufen. Mittlerweile über lokale Facebookgruppen, aber scheinbar scheinen Termine hier nix zu zählen, denn die zwei interessierten Herren tauchten nicht auf.

Der Rest der Truppe wollte Richtung Chiapas, aber Hanno hatte mich überredet nochmal 150 km die Küste hoch nach Chacahua zu fahren. Also gings nochmal zu einer kleinen Date-Night in ein Restaurant mit Meerblick bevor wir uns am nächsten Morgen von den anderen verabschiedeten und uns auf den Weg machten. Die letzten 30 km sind ein echter Krampf gewesen. Waschbrettpiste, staubig und ziemlich zugewuchert. Unser Kühlschrank entledigte sich zwischenzeitlich all seines Inhaltes, Chico kotze fleißig und alles was nicht festgeschraubt oder geklebt war, hüpfte durch die Wohnkabine. Herrlich! Ich hoffte schwer, dass sich die Anreise gelohnt hat. 

Wir blieben 8 Tage in Chacahua – die Anreise war ihre Strapazen also wert. Bei Hector, dem Besitzer der letzten Palapa am Strand, bekamen wir die Erlaubnis zu campen und durften für eine kleine Summe seine Dusche und Toilette benutzen. 

So verbrachten wir richtig gute Tage an diesem fantastischen surfers paradies. Im Rückblick ist es erstaunlich schwierig wirklich gute Surfstrände zu finden. Auf der Baja waren wir von Nine Palms verwöhnt, und dachten, dass uns auf dem mexikanischen Festland tausende solcher Strände erwarten würden. Die Realität war ganz anders, von den 10-15 Stränden, die wir zum Surfen angesteuert haben, war Chacahua bisher der einzige auf dem Festland, bei dem alles passte: Richtige Jahreszeit, richtiger „Swell“, d.h. überhaupt Wellen, nicht zu viele Leute im Line-Up, richtige Größe der Wellen und nicht zuletzt ein Stellplatz, der Chico auch gefällt.

Ich weihte mein neues Board so richtig ein und schaffte es direkt mir das erste Loch ins Eproxy zu hauen.

Um zum Break zu kommen mussten wir den kleinen Fluss, der ins Meer mündet überwinden. Meistens klappte das ohne Probleme. Manchmal aber auch nicht. Bei starker Flut floss das Wasser am letzten Tag plötzlich flussaufwärts und wir paddelten wie blöde und konnten doch den Fluss nicht überqueren. Ende vom Lied war, dass wir 200 m flussaufwärts wieder aus dem Wasser wateten und ein Wassertaxi auf die andere Uferseite nehmen mussten. Ziemlich deprimierend, aber Hauptsache die Zuschauer am Strand hatten ihren Spaß mit uns. 

Auch der Weg vom Line-up zurück zu Bruno gestaltete sich als schwierig. Nach dem ersten gescheiterten Versuch den Fluss zurück zu überqueren, akzeptierten wir, dass uns das Wassertaxi wohl nach dem Surfen immer wieder zurück bringen muss. 

Durch den Fluss war der Ort zweigeteilt und wir befanden uns auf der wenig touristischen Seite. Wir waren aber ganz froh darum, denn COVID scheint auf der anderen Seite ein unbekanntes Fremdwort zu sein. Masken? Fehlanzeige. Deutsche, Dänen, Franzosen, Engländer und Amerikaner feierten was das Zeug hielt und von „Sana Distancia“ (Abstandhalten) hatten die wohl alle auch noch nicht gehört.

Am letzten Abend vor unserer Abreise schauten wir den Sonnenuntergang auf dem Leuchtturm und staunten nicht schlecht wie ausgelassen und hemmungslos gefeiert und geknutscht wird. 

Wieder so ein Moment der uns verstehen lässt, warum manche Einheimischen gerade skeptisch auf Touristen schauen. Wir versuchen den Kontakt seit einem Jahr so gering wie möglich zu halten, um niemanden zu gefährden und uns nicht dem Risiko auszusetzen – und dann sehen wir rund um Puerto Escondido all unsere Landsleute, die nur hier sind um den Corona Restriktionen in Deutschland wenigstens für ein paar Wochen zu entfliehen. Schade, denn hier steht die Bevölkerung gerade auf dem Land vor riesig großen Problemen wenn der Virus im Dorf ist. In Mexico schwer zu erkranken ist was anderes als in Deutschland. Das wünsche ich niemandem.

Unsere Tage bestanden in Chacahua aus Surfen am morgen, Surfen am Nachmittag. Zwischendurch telefonierten wir mit zu Hause, lernten Spanisch und erkundeten zu Fuß unsere Nachbarschaft. Auch mein altes Surfboard wurde ich endlich los. Perfekt! 

Ganz praktisch ist, dass der Supermarkt in Form eines Trucks immer zu einem kommt. So bekamen wir mehrmals die Woche frisches Gemüse und Obst und auch Fleisch und Fisch direkt vor die Haustüre geliefert.

Außerdem planten wir unsere Weiterreise und wurden zunehmend aufgeregter. In einem Monat sollte es rüber nach Guatemala gehen. Ich recherchierte alle Regeln für die Einfuhr von Chico, gültigen COVID-Tests und Laboren, suchte uns einen guten Grenzübergang und schrieb meine Checkliste für die Dinge, die wir an der Grenze zu erledigen und zu bezahlen haben. Abends wurde der ganze Plan dann mit Hanno besprochen und die letzten offenen Fragen geklärt. Oh wie aufregend. Nach über 450 Tagen in Mexico gings endlich weiter. Das dachten wir zumindest für 2 Tage, denn dann kam die Nachricht, dass Mexico die Grenzen nach Süden in den nächsten 24 Stunden dicht macht. Wir waren fassungslos. Nach einem Jahr Pandemie, in der Mexicos Grenzen ohne Ausnahme offen waren, nun das. Schnell war klar, dass die Schließung auch nix mit COVID zu tun hatte, sondern mit den Flüchtlingsströmen aus Zentralamerika, die versuchen in die USA zu kommen. Wir waren kurz echt frustriert und entschieden dann, dass wir trotzdem Richtung Süden reisen würden, nur eben etwas später, wenn Costa Rica die Grenzen öffnet. Ansonsten würden wir nämlich zwischen Mexico und Costa Rica festhängen und für die 4 Länder dazwischen bekommt man insgesamt nur 3 Monate Visum. Zu riskant. 

Wir waren froh den Weg nach Chacahua noch genommen zu haben und sagten nach etwas mehr als einer Woche tschüss und auch Chico musste sich von seinem neugewonnenen Freund, Hectors rotgetiegerten Katze, verabschieden. Weiter gings zurück nach Puerto Escondido, wo wir nochmal Lebensmittel und Wasser aufstockten und nach einer kurzen Nacht weiter fuhren.

Wir machten uns dann auf dem Weg die Küste runter. Einen Übernachtungsstop machten wir in La Bocana, welches gerade vor allen Dingen durch unzählige Bauprojekte auffällt. Scheint eine neue amerikanische Community zu werden. Die Wellen waren nicht wirklich surfbar und die Nacht durchzogen von Hundegebell. Es ging früh um 7 Uhr weiter bis nach Concepetion Bamba, wo der Rest der Truppe hing. Im laufe der Woche trafen wir dort dann noch auf andere Deutsche mit Unimog und Pickup-Camper, Kanadier und Franzosen.

Wir blieben über eine Woche zum Surfen und stellten mal wieder fest wie gewaltig die Kraft des Meeres ist. In einem Moment staunst du, dass du deine erste 2,5m Welle surfst und im nächsten Moment wirst du von den Wassermassen begraben und gefährlich nah an die Klippen gespült. Puh. Unser letzter Surftag endete mit einem geprellten Knie, viel geschlucktem Salzwasser und sehr viel Respekt vor dem Meer.

Ansonsten wanderten wir am Strand entlang und erkundeten die riesigen wunderschönen Dünen. Chico genoss den Strand und spielte fleißig mit den Hunden, fing zur Freude des Restaurantbesitzers eine Ratte und zwei Mäuse und erschuf einen beachtlichen Eidechsenfriedhof rund um den Camper. 

Handynetz war mal wieder Fehlanzeige und als wir nach einigen Tagen im Restaurant einen Wifi-Zugang kauften, erreichte uns die seit Januar gefürchtete Nachricht. 
Brain, unser Kater, war gestorben. 
Wir wissen, die Welt dreht sich weiter, aber für uns stand sie für unbestimmte Zeit still. Zu Hause wird nie wieder sein wie es war. Zu der Vorfreude auf eine Heimkehr mischt sich nun die Angst der neuen Realität ins Auge blicken zu müssen.

Ende März ging es dann mit Stop in Salina Cruz (Autowäsche, Einkaufen, Wasserauffüllen, neue T-Shirts für Hanno, neue Sonnenbrille für mich) und einem wenig spektakulären Nachtstop an einer Tankstelle Richtung Bundesstaat Chiapas. Wir sagten dem Pazifik „adios“ und vermutlich wird der Golf von Mexico das nächste Meer sein, welches wir zu Gesicht bekommen.